Nachtwächter kehren zurück ins Lübbecker Land
Von
Sonja Rohlfing
15.08.2024 | 15.08.2024, 12:00
Stemwede. Der Nachtwächter hatte bis um die Wende zum 20. Jahrhundert eine wichtige Aufgabe. Er sorgte bei
seinen Gängen durch Straßen und Gassen für Ruhe und Ordnung. Außerdem warnte er die schlafenden Bürger
vor Feuern, Feinden und Dieben und überwachte das ordnungsgemäße Verschließen von Haustüren und
Stadttoren. „Auch Levern hatte bedingt durch das Zisterzienserinnen-Kloster und danach durch das adelige
Damenstift und die Haltestelle der Postkutschenlinie eine lange Nachtwächtertradition“, sagt Horst Stegemöller.
Der Leverner erinnert bei den Erlebnisführungen des Heimatvereins und zu anderen Anlässen an diese
Tradition. Entsprechend gewandet und mit Hellebarde oder einer ähnlichen Stangenwaffe, Laterne und Horn
ausgerüstet, schlüpft Horst Stegemöller in die Rolle des letzten hauptamtlichen Nachtwächters im Stiftsort. Dies
war von 1883 bis 1937 Friedrich Schwengel. Schwengel gehörte zu den letzten aktiven Nachtwächtern in
Deutschland. Die Erinnerung an die Nachtwächter und Türmer hält die Gilde der Nachtwächter, Türmer und
Figuren wach. Dieser Gilde gehört auch Stegemöller an.
Im alten Amtshaus wurde übernachtet
„Wo auf der Postlinie übernachtet und die Pferde umgespannt wurden, musste es auch einen Nachtwächter
geben“, erklärt Horst Stegemöller. „Mit Kutschen reisten schließlich betuchte Leute mit entsprechenden
Wertsachen.“ Das alte Amtshaus in Levern war im 18. und 19. Jahrhundert der Postgasthof für die Linie von
Münster nach Hannover. Dort wurde übernachtet, die Pferde gewechselt und gegebenenfalls die Kutschen
repariert.
„Deshalb mussten auch Tag und Nacht Hufschmied und Stellmacher verfügbar sein“, weiß Horst Stegemöller.
Bekannt wurde der Postgasthof „Zur grünen Linde“ durch die Kochbuchautorin Henriette Davidis, die dort ab
etwa 1840 viele Jahre als Köchin arbeitete.
Dreitägiges Bundestreffen der Gilde
„Wir wissen Horst Stegemöllers Enthusiasmus zu schätzen“, sagt Peter Dürr, ehrenamtlicher Nachtwächter vom
Schloss Benkhausen und stellvertretender Gilde-Sprecher für die Region Nord-West-Deutschland in der
Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren. Peter Dürr, Horst Stegemöller, Thomas Dullweber
(ebenfalls Nachwächter vom Schloss Benkhausen) und Marcus Hellmann (Nachwächter zu Soest) trafen sich
jetzt in Levern, um das dreitägige Bundestreffen der Gilde vom 27. bis 29. September in Espelkamp
vorzubereiten.
Die Deutsche Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren sei eine Gemeinschaft, wo sich Gleichgesinnte mit
dem Ziel, Überliefertes zu bewahren, traditionelles Brauchtum zu pflegen und Geschichte weiterzugeben,
austauschen und neue Ideen entwickeln könnten, erläutert Marcus Hellmann. In ihrer Gilde seien Frauen und
Männer gleichermaßen willkommen.
Levern stehe auf seiner Herzensliste, unterstrich Marcus Hellmann. „Der Ortskern ist fantastisch.“ Die
ursprüngliche Pfarrkirche auf dem Stiftshügel sei ähnlich gebaut wie die Kirche in Soest. „Darum fühlen wir
uns in dieser Kirche immer direkt wie zu Hause“, bestätigen der Soester und seine Frau Petra Hellmann. An die
einschiffige romanische Pfarrkirche in Levern wurde allerdings 1283 die Klosterkirche angebaut. Die
romanische Gemeindekirche wurde um 1480 durch eine zweischiffige gotische Kirche ersetzt. Das
Nebeneinander der beiden Kirchen hatte fast 500 Jahre Bestand, bis 1828 die trennende Mauer
herausgenommen wurde.
Das Kloster wurde in den Jahren nach der Reformation 1517 in ein freiweltliches Damenstift umgewandelt. Es
entstanden im 17. und 18. Jahrhundert die heute noch existierende Stiftskurien und andere Stiftsgebäude. „Dass
alle alten Stiftshäuser erhalten sind, das ist schon einmalig“, unterstreicht Horst Stegemöller.
Das genaue Programm für die Gäste aus Deutschland und Österreich stehe noch nicht fest, sagt Peter Dürr. „Wir
stehen in einer Reihe mit Plauen und Wien“, verdeutlicht der Espelkamper, dass die Messlatte hoch liegt. In
beiden Städten gab es schon viel beachtete Bundestreffen der Gilde. „Wir sind Botschafter der Region und
präsentieren das Lübbecker Land“, erklärt Peter Dürr. Dabei werde auch Levern eine Rolle spielen. „Wir freuen
uns sehr und bieten gern Gastfreundschaft an“, sagte der stellvertretende Stemweder Verwaltungschef, Jörg
Bartel.